Arbeit und Leistung etwas physikalisch betrachtet

„Tolle Leistung", „Super Arbeit", mit etwas Physik hinterfragt

Mitarbeiter werden geehrt, lobend erwähnt, bekommen Tantiemen, einen Lohnzuschlag, Urkunden oder Tankgutscheine so weit so gut, wenigstens ein Wertschätzungs-Versuch seitens der Führungskräfte und für alle die, die etwas bekommen vielleicht tatsächlich auch eine Anerkennung?
Aber was wird denn hier eigentlich ausgezeichnet? Die Bereitschaft, sich mehr als die vereinbarte Arbeitszeit für die Firma eingesetzt zu haben? Eine mühevolle Arbeit hinter sich gebracht zu haben? Schnell irgendein Ergebnis zu einem Auftrag geliefert zu haben? Grundsätzlich „gute" Arbeit geleistet zu haben? Oder einfach ein „verdienter Mitarbeiter" zu sein? Diese Fragen könnten endlos fortgesetzt werden, die Transparenz wird dadurch nicht unbedingt größer. Wird denn hier tatsächlich „Leistung" oder „Arbeit" belohnt?

Die von uns im Alltag benutzten Begriffe von „Leistung" und „Arbeit" werden sehr vielfältig ausgelegt, wenig trennscharf gehalten und den physikalischen Begriffen oft entgegen verwendet und zwar von Mitarbeitern und Führungskräften gleichermaßen!

Beginnen wir mit dem Begriff „Leistung". „Die Leistung als physikalische Größe bezeichnet die in einer Zeitspanne umgesetzte Energie bezogen auf diese Zeitspanne. (.....). Die Leistung P ist der Quotient aus verrichteter Arbeit und der dazu benötigten Zeit (auch zugeführte Energie durch benötigte Zeit):"

Leistung = verrichtete Arbeit/Zeit, oder aufgewendete Energie/Zeit
(vgl. Wikipedia Begriff „Leistung (physikalisch)" 18.2.21)

Also übersetzt und vereinfacht ist Leistung = Arbeit pro Zeit. In unserem Unternehmens-Alltag treffen wir jedoch ganz häufig auf eine andere Interpretation von „Leistung", nämlich der von

Arbeit mal Zeit, also die „Leistung" als Produkt von Arbeit und Zeit!?

Wie komme ich zu dieser Annahme? Schauen wir uns einfach den Alltag in unseren Unternehmen an, dann stellen wir folgendes fest:

  • Längeres Arbeiten und Überstunden werden in der Regel als positiv gesehen und häufig belohnt (Leistung = Arbeit mal Zeit)
  • Wer viele Stunden schruppt, ist „fleißig" und der, der nach 8 Stunden geht, weil er sein Pensum bereits erledigt hat, ist „faul" und wird womöglich noch als „Drückeberger" abgestempelt
  • Wer eine Aufgabe schnell abarbeitet und früh fertig ist, wird in der Regel nicht belohnt, sondern bekommt einfach weitere Aufgaben zugeteilt
  • Geschwindigkeit in der Abarbeitung von Aufgaben wird normalerweise nicht gemessen, wohl aber deren Umfang
  • 30-40% aller Arbeiten in Unternehmen sind „Blindleistungen" und nicht wertschöpfend für das Unternehmen (vgl. hierzu Beiträge zu „Verschwendung" und Lean-Management), hätten wir einen „physikalischen" Leistungsbegriff müßte dieser Anteil eigentlich gegen Null gehen
  • Belohnungen und Anerkennungen laufen überwiegend über den physikalisch falschen Leistungsbegriff „Arbeit mal Zeit"
  • Überstunden bekommen einen „Leistungs-Stempel", statt ihrem eigentlichen Gegenteil und statt der Analyse und Behebung ihrer Ursachen

Jeder kann hier sicher viele, weitere Beispiele aus dem eigenen Arbeitsalltag anfügen, bei denen sichtbar wird, daß wir in der Praxis mit einem nicht physikalischen Leistungsbegriff arbeiten, der damit Schwerpunkte oft vollkommen falsch setzt und langfristig zu ineffizienten Prozessen und unzufriedenen Mitarbeitern führt.

Führungskräfte und Unternehmenslenker sind jetzt gefragt, um das Mindset zur „Leistung" wieder gerade zu rücken und damit effizientes Arbeiten und Prozess-Effizienz in den Vordergrund zu stellen.

Nun zum Begriff „Arbeit", der sich nicht ganz so klar aus der Physik in unsere Arbeitswelt übertragen läßt. Was ist denn alles „Arbeit"? Was empfinden wir als „Arbeit"? Was wird demgegenüber als Nicht-Arbeit gesehen? Ist Nicht-Arbeit dasselbe wie Freizeit? Oder gibt es auch während der Arbeit, Nicht-Arbeit? Ist „Arbeit" auch gleich „Wertschöpfung" für das Unternehmen?
„Arbeit ist in der Physik die Energie, die durch Kräfte auf einen Körper übertragen wird. Man sagt: „An dem Körper wird Arbeit verrichtet". Das geschieht, indem eine Kraft längs eines Weges auf ihn einwirkt. Die geleistete Arbeit berechnet sich in diesem einfachsten Fall als Produkt aus der in Wegrichtung wirkenden Kraft mit der Wegstrecke." (Wikipedia Begriff Arbeit (Physikalisch) 18.2.21)

Das Ganze auf unseren Unternehmens-Alltag übertragen würde ich in etwa so übersetzen: Die Kraft als Einsatz, als Handling, als die Beschäftigung im Arbeitsprozeß, den Körper zum Beispiel als einen Prozeß, als eine Aufgabe etc. Bei der Übersetzung des Weges in den Arbeitsalltag kommen mir vor allem die Unternehmensziele und deren Umsetzung, sowie weitere definierte und gelebte Abläufe und Standards in den Sinn, also der Aspekt der „Zielgerichtetheit".
Nach Auffassung der Mechanik fließt jedoch nur der Teil der Kraft, der in Richtung des Weges wirkt in das Produkt der Arbeit mit ein. Interessant für unser Unternehmen: Denn ist der „Weg" unklar, unbekannt oder nicht definiert, z. B. durch fehlende oder nicht transparente Unternehmensziele und daraus abgeleitete Maßnahmen, dann ist im physikalischen Sinn das Bemühen der Mitarbeiter keine Arbeit, sondern nur der Teil, der tatsächlich entlang des „Weges" wirkt! Wie beschreiben wir dann den Rest? Aufgewendete Kraft, aber keine Arbeit? Nennen wir es vielleicht „Beschäftigung", aber auf jeden Fall nicht „Arbeit", denn die „Zielgerichtetheit des Weges" würde hierbei fehlen. Vielleicht sagen wir besser, „keine Arbeit fürs Unternehmen", denn der Mitarbeiter selbst definiert wahrscheinlich seine eigenen „Wege", die jedoch keineswegs mit denen des Unternehmens in Einklang stehen müssen!
Einfacher wäre hierzu der Auffassung von Descartes zu folgen, der Mitte des 17. Jh. die Arbeit als Produkt von Kraft und Zeit definierte. Also einfach die Kraft eine zeitlang wirken lassen, wäre dann schon „Arbeit", auch ohne Zielgerichtetheit des Weges. Anscheinend hat sich diese Interpretation mehr in unseren Köpfen durchgesetzt als die heutige Definition der physikalischen Arbeit.

Kurzum, wenn man die Begriffe Leistung und Arbeit etwas genauer betrachtet als die im Alltag verwendeten Begriffe, dann sehe ich einen großen Bedarf für Klärung im Sinne von Wertschöpfung und Prozess-Effizienz, sowie Zielgerichtetheit und Transparenz in den Unternehmensprozessen.

Zufriedene Mitarbeiter erhalten Wertschätzung, Anerkennung ihrer Arbeit und Transparenz in dem Vorgehen ihrer Führungskräfte. Bitte dann aber auch die Meßgrößen entsprechend transparent gestalten und die Begriffe "Leistung" und "Arbeit" klar definieren.

Lean Komplett, Bernd Kühme, Sindelsdorf Feb 2021

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