Die Familie der Zombie-Unternehmen

Die Familie der „Zombie-Unternehmen"

Unternehmen als „Zombies", also einerseits als schon tot, andererseits aber noch als „lebend" zu beschreiben, entstammt der Anlehnung aus Zombiefilme ab dem Ende der 60-er Jahre. Das Bild des eigentlich schon Toten, aber dennoch sich noch „bewegenden" und Unheil anrichtenden „Untoten" (häufig auch menschenfressenden), wird meist in Zusammenhang mit fremdfinanzierten Unternehmungen verwendet, die aus eigener Kraft nicht (mehr) überlebensfähig wären. In zentralistisch gesteuerten Volkswirtschaften keine Seltenheit, in marktwirtschaftlich orientierten Gesellschaften oft gekoppelt an Krisen oder sich schnell ändernde Rahmenbedingungen, werden Unternehmen aus unterschiedlichen Gründen am Leben erhalten, obwohl ein selbständiges Bestehen zeitweise oder grundsätzlich nicht mehr möglich ist.

Ob dieses Vorgehen nun stabilisierend und zukunftsträchtig, oder eher schädlich für eine auf Fortschritt bedachte Volkswirtschaft ist, bleibt den Lesern zur Diskussion frei.

In der heutigen Sichtweise wird der Begriff Zombie-Unternehmen überwiegend in Verbindung mit „Finanz-Tot", also in Bezug auf rein betriebswirtschaftliche Kennzahlen gesehen, die das finanzielle Überleben, oder eben den Firmentot beschreiben. Diese Finanz-Zombies werden aufgrund von Rettungsschirmen, Subventionen, Krediten etc. mit finanziellen Mitteln zu eben diesen „Untoten" aus ihren Filmvorlagen.

Als weitaus interessanteres Familienmitglied der Zombie Familie können aber die sogenannten Prozeß-Zombies abgegrenzt werde. In einem wesentlich früheren Stadium als bei ihren Brüdern, häufig bereits Jahre vorher, können hier ineffiziente, kranke und ressourcen-fressende Prozesse beobachtet werden. Falls diese nicht frühzeitig analysiert und angepaßt werden, bedeutet das den Beginn eines schleichenden Todes, oft Jahre bevor die Finanzdaten endlich zum Handeln zwingen.

Das Stadium der Prozeß-Zombies geht meistens dem eines Finanz-Zombies weit voraus, wird aber kaum rechtzeitig behandelt. Aufmerksame externe Beobachter, aber auch beteiligte Mitarbeiter erkennen frühzeitig die Unzulänglichkeiten in den internen Prozessen, die sich im Laufe der Zeit dann zu gravierenden Auswirkungen auf das gesamte Unternehmen ausweiten können. Leider bleibt diese Phase den meisten Führungskräften und Unternehmenslenkern verborgen, da die Zahlen ja noch stimmen, man die Mitarbeiter nicht ausreichend integriert und für Berater kein Geld ausgeben möchte. Man hat doch ein „tolles Produkt", was noch gut am Markt angenommen wird, man sitzt in einer Nische mit wenig Mitbewerbern, man hat doch in der Vergangenheit auch alles richtig gemacht, kurzum es gibt vielerlei Gründe, warum im Tagesgeschäft ein frühes Anpassen der Prozeßlandschaft hinausgeschoben wird.

Ausklammern muß man bei der Betrachtungsweise der Unternehmens-Zombies vielleicht diejenigen Unternehmen, die eine öffentliche Gesellschaftsaufgabe haben und sich finanziell nicht tragen können oder sollen. Hier darf aber trotzdem verstärkt das Thema Prozess-Effizienz in den Fokus rücken, denn schließlich zahlt ja auch die Allgemeinheit die Zeche für Verschwendung und ineffiziente Prozesse (leider meist mit unendlichem Kredit).

Wer also die frühen Anzeichen eines Prozeß-Zombies erkennt, wird sicher sein Unternehmen langfristig stabil und zukunftsfähig aufstellen können und sich später nicht mit Sanierungsmaßnahmen und Insolvenzen beschäftigen müssen. Kreditgeber und Finanzierer dürfen ebenfalls den Begriff des Prozeß-Zombies verinnerlichen, dann gäbe es vielleicht später weniger lange Gesichter und Rechtfertigungen auf den Vorstandsetagen.

Lean Komplett, Bernd Kühme, Feb 2021

© LEAN komplett
powered by webEdition CMS