Überstunden als Indikator für ineffiziente Prozesse?

Überstunden als Indikator für ineffiziente Unternehmens-Prozesse?!

Gibt man den Begriff „Überstunden“ in aktuelle Suchmaschinen ein, erscheinen hunderte von Abhandlungen und Stellungnahmen zum Thema Überstunden und Recht, man findet jedoch kaum Betrachtungen, die sich mit der Wirkung von Überstunden auf das Unternehmen und deren Mitarbeitern befassen, oder gar die Überstunden in Verbindung mit Prozesseffizienz bringen.

Im Folgenden werde ich „Überstunden“/„Mehrarbeit“ als jede Form von Arbeit, die über das unternehmerisch geplante und kalkulierte Maß hinausgeht, betrachten. Ich nehme daher den Bereich von 8-9 Std. als Vorgabe für „normale Arbeitszeit“, ungeachtet dessen, ob Menschen auch zu mehr fähig sind und woher diese Betrachtungsgrenze überhaupt stammt. Somit fallen aber auch alle nicht registrierten „Überstunden“ letztlich in den Bereich „Mehrarbeit“, denn sie täuschen über „tatsächlich anfallende“ Arbeiten hinweg und führen damit über eine Intransparenz zu ineffizienten Prozessen und unnötigen Belastungen der Mitarbeiter.

Die Gründe, warum Überstunden in Unternehmen anfallen, sind sicher sehr vielseitig und müssen bezogen auf ihre Auftrittshäufigkeit differenziert betrachtet werden. Häufig wird seitens der Unternehmer eher „der Fachkräftemangel“, oder plötzlich auftretende Ereignisse“ angeführt, seitens der Mitarbeiter meist pauschal der „zusätzliche Arbeitsaufwand“, Krankheit und Urlaub von Kollegen, oder „plötzliche Arbeitsaufträge von Führungskräften“. Ich möchte einen großen Kundenauftrag, ein aktuelles Projekt, oder andere zeitlich befristete (kurzfristige) Situationen bei meiner Betrachtung ausklammern, da sich hierbei der Anfall von Mehrarbeit in absehbarer Zeit wieder reduzieren wird, also eine „Einmaligkeit“ im Vordergrund steht.

Werden Überstunden der Mitarbeiter allerdings zum Standard über Wochen und Monate, dann sollte hier ein intensiverer und detaillierterer Blick in die Prozeßwelt der Mitarbeiter unternommen werden. Immerfort auftretende „plötzliche Ereignisse“, permanenter „Mangel an Vertretungen“ (Urlaub, Krankheit), immer „aktuelle Projekte“ oder oft „große Kundenaufträge“, lassen eine Schwäche in der Prozeßlandschaft des Unternehmens vermuten. Ein hoher Krankenstand, hohe Mitarbeiterfluktuation, fehlende transparente, interne Kommunikation und eben auch regelmäßige Überstunden, sollten zusätzlich schnellstens die Führungskräfte zum Handeln veranlassen.

Wenn Unternehmer, Führungskräfte und Mitarbeiter das Parkinsonmodell (daß „Arbeit sich in genau dem Maß ausdehnt, wie Zeit für ihre Erledigung zur Verfügung steht") im Hinterkopf haben, muß um so mehr eine detaillierte Prozeßbetrachtung erfolgen, um eventuelle Blindleistungen von zielgerichtetem Handeln, im Sinne des Unternehmens, zu unterscheiden. (vergl. Cyril Parkinson 1957 und dazu auch neuere Studien). Glaubt man Schätzungen und Statistiken, dann sind 30-40% der Arbeitsleistungen (je nach Produktion oder Administration) nicht wertschöpfend, also nicht auf die Unternehmensziele ausgerichtet und bedürften einer genauen Analyse. In diesem Zusammenhang erscheinen dann „Überstunden und Mehrarbeit“ extrem befremdend und es stellt sich die Frage nach der konsequenten Bearbeitung der Ursachen.

Auf der einen Seite ist ein hoher Anteil der täglichen Arbeitsleistung ohnehin nicht wertschöpfend, zusätzlich entstehen dann noch Überstunden und Mehrarbeit auf der anderen Seite, das schreit geradezu nach Analyse und Optimierung!?

Die häufigsten Ursachen für regelmäßige Überstundenleistungen aus der Praxis eines Analysten betrachtet, ohne Wertung:

  • Mangel an Prozeßverantwortung der Mitarbeiter für ihre eigenen Arbeitsprozesse
  • Mangel an regelmäßiger und transparenter interner Kommunikation
  • Mangel an regelmäßigen Tätigkeitsstruktur-Analysen zwischen Führungskräften und Mitarbeitern
  • Mangel an klar kommunizierten Unternehmenszielen über alle Ebenen
  • Wenig entwickelte Führungskultur in Bezug auf Wertschätzung der Mitarbeiter und Vertrauen in die Arbeit der Mitarbeiter

 

 

 Abb.: Mögliche Ursachen von Überstunden aus Analystensicht

Wer also regelmäßig in seinem Unternehmen Überstunden aufbaut, läuft nicht nur Gefahr seine Mitarbeiter sinnlos zu verschleißen, sondern stellt sein Unternehmen auch auf eine äußerst labile Basis, die bei Störungen von außen, oder Änderung von Rahmenbedingungen wie ein Kartenhaus zusammenbrechen kann. Eine Anhäufung von Mehrarbeit über einen längeren Zeitraum hinweg, kann als Mangel an Prozesseffizienz im Unternehmen gesehen und sollte möglichst rasch analysiert und behoben werden, damit nicht noch ein weiteres Unternehmen als „Prozeß-Zombie“ geboren wird.

 

Lean Komplett, Bernd Kühme Feb 2021

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